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                                          Johann Balmer

 

   (1874-1939)

 

  

   Wagnermeister

 

   Niederwangen

 

Die Chronik des Johann Balmer, Wagnermeister in Niederwangen

 

 

 

Menschen im Wangental. Bewegende Lebensgeschichten. Hier veröffentliche ich die Chronik meines Grossvaters, die er in alter deutscher Schrift sorgfältig und man kann sagen, fast künstlerisch, in ein dickes Schulheft geschrieben hatte. Abrupt enden seine Aufzeichnungen nach dem Tod seiner zweiten Frau. Er trägt dann später die Ereignisse nach, bis kurz vor seiner Krankheit. Sein jüngerer Sohn Fritz (mein Vater) schreibt dazu seine Geschichte, sowie Ergänzungen zu den Aufzeichnungen seines Vaters Johann. Schliesslich ergänzt Maria, die jüngste Tochter, wie sie die Zeit nach dem Tod des Vaters erlebte. 

 

 

 

 

Familienchronik 

von  

                               Johann Balmer 

(1874-1939)  

Niederwangen

 

 

Im Jahr 1898, am 6. August verehelichten sich in Neuenegg 

Johann Balmer, 

Wagner von Dicki, auf der Landgarben, 

geboren zu Kriechenwil, den 30. Dezember 1874 

 und 

Lina Blattner, 

Schneiderin von Langenbrück, Baselland, in Neuenegg, 

geboren im Unterholz bei Meikirch, den 21. Mai 1874.

 

Zuerst wohnten wir zusammen im Hause des Herrn Nikl. Rüedi, Schmied in Neuenegg. 

Im Mai 1899 zogen wir in das Häuschen zunächst der Sensenbrücke, daselbst wo am 17. Juni 1899 Hans, das erste Kind geboren wurde. Ich arbeitete zur selben Zeit in Flamatt bei Bend. Hofmann. 

Nach dem Militärdienst 1899 machte ich noch Störarbeit auf der Landgarben, dann zogen wir im Oktober nach dem Wangenbrüggli, um dort ein eigenes Geschäft zu gründen. Die Wohnung hatten wir im Hause der Frau Wwe. Ingold und die Werkstatt im Schopfgebäude des Joh. Grunder. 

Das war ein schwerer Anfang, kein Stück Holz war zur Stelle, Werkzeug fehlte noch viel, dann kam auch die Arbeit recht spärlich, so dass ich oft nicht recht wusste, was machen. Natürlich waren da die Einnahmen klein, die Ausgaben aber gross. 

Im Oktober 1900 zogen wir in die Wohnung von Johann Grunder, zunächst der Werkstatt. Dort wurde am 25. März 1901 ein Mädchen geboren, welches aber am folgenden Tage infolge Lebensschwäche starb, zwei Tage nach dem Tode der Frau Grunder im Juch. 

Unsere Existenz verbesserte sich allmählich und machte uns das Dasein etwas angenehmer. 

Die Milch kostete 18 Rappen per Liter und 4 Pfund halbrauches Brot 50 Rappen. 

Am 30. April 1903 wurde Hanneli als ein gesundes Kind geboren, getauft in der Kirche zu Köniz. 

Nach dem militärischen Wiederholungskurs von 1903, besorgte ich aus Mangel an Arbeit, im Herbst, das Kabishobeln, welches mir meine Einnahmen etwas verbesserte. 

Im Herbst 1902 kam Gottfried Blattner zu uns in die Wohnung und fing eine eigene Schusterei an, musste aber im Juni 1905 ins Spital nach Liestal verbracht werden als geistesgestört. 

Im Januar 1906 zeigten sich auch bei Alex Blattner Zeichen von Geistesgestörtheit, wurde deswegen von der Berner Polizei nach dem Steigerhubel verbracht und später ebenfalls nach Liestal. 

 

Das Jahr 1906 brachte bei uns eine Änderung. 

Das Scheunenwerk unseres Wohnhauses im Wangenbrüggli wurde abgebrochen und neu aufgeführt, weil ein Sohn des Joh. Grunder, Fritz, daselbst die Landwirtschaft betreiben wollte. 

Dadurch wurden wir gezwungen, nach einer anderen Wohnung umzusehen. Weil sich in unserer Gegend nichts passendes vorfand, war der Entschluss, etwas bauen zu lassen, trotz den wenigen Mitteln dazu. Von J. Christ. Scheuner in Niederwangen wurde Land gekauft ¼ Jucherten 10155 Hundertfuss zu 15 Rappen, ergibt die Summe von Fr. 1'523.— 

Dieser Kauf wurde abgeschlossen und geschrieben den 3. August 1906. Weil die Zeit weit vorgeschritten war, musste sogleich mit dem Bau begonnen werden. Die Arbeit wurde übergeben den 4. August an Benjamin Clivio, Maurermeister in Bümpliz und Fritz Remund, Zimmermeister in Oberbottigen um die Summe von Fr. 13'500.—ohne Sodbrunnen. 

Am 7. August wurde mit den Erdarbeiten begonnen und schon am 7. September kam der Bau unter Dach, ohne dass die Mauern und das Holz einen Tropfen Regen bekamen, auch ohne Unfall. 

Am 20. November 1906 bezogen wir schon unsere Wohnung und am Altjahrestag 1906 war das Haus fertig. 

Im Frühling 1907 wurden noch die Gartenmauern gemacht und die Zäune. 

 

Es ist noch nachzuholen, dass am 21. August 1904 das Haus in welchem meine Mutter wohnte, abends um 8 Uhr, an einem Sonntag, vom Blitz angezündet wurde und vollständig einäscherte. Das unversicherte Mobiliar der Mutter ging bis auf einige Stück zu Grunde. Das war ein schwerer Schlag für die schon 63jährige Mutter. Ohne Heim wechselte sie ihren Wohnort mehrmals, bis sie dann bei ihrem Bruder Niklaus Thomet die Haushaltung besorgte.

 

Anfangs des Jahres 1908 wurde mein Bruder Samuel krank und musste in die Insel verbracht werden, wo er am Kopf, hinter dem linken Ohr, operiert wurde. Nach 7 Wochen verliess er das Spital als ziemlich geheilt. Aber daheim wurde die Sache wieder schlimmer und in wenigen Tagen, am 16. April, Gründonnerstag, starb er als Vater von sieben unerzogenen Kindern. Die Beerdigung fand statt an der Ostern, den 19. April. Er erreichte ein Alter von 38 Jahren; beerdigt wurde er in Neuenegg. 

Am 23. Mai 1908, an einem regnerischen Samstag, sank die Temperatur und es fing an zu schneien um 3 Uhr nachmittags und es schneite bis in die Nacht hinein, 15 bis 20 cm tief, schweren Schnee. Alle Bäume in Wald und Feld waren voll belaubt, die Obstbäume noch in voller Blüte. Alle Bäume krachten unter der Schneelast. Im Wald krachte es beständig, weit in die Nacht hinein. Viele wurden entwurzelt, andere geknickt, ohne Schaden war sozusagen kein Baum. 

Ganze Fuder Äste wurden unter den Obstbäumen gesammelt und im Wald lag alles kreuz und quer. Das burgerliche Forstamt Bern bewilligte Holz zu sammeln bis 10 cm Durchmesser am gröberen Ende. Das war eine Ernte für die Holzbedürftigen! 

Gras und Getreide waren wie gewalzt platt auf der Erde. Es war ein Glück, dass kein Frost eintrat, sonst wäre fast die ganze Ernte vernichtet gewesen. Die Bauern, welche altes Heu hatten, mussten den andern aushelfen damit, einige mussten sogar den Schnee wegräumen, um Gras zu mähen für das Vieh. Als der Schnee geschmolzen war, trat schönes Wetter ein und die Bauern fingen an zu heuen und machten noch gute Ernte. Das Jahr 1908 konnte noch zu den besseren gezählt werden, denn auch die Kartoffeln und das Obst gerieten gut. 

 

Dies war die Zeit, da alles im Steigen war. Arbeitslöhne, Lebensmittel, Zinse, damit auch alles andere, so dass ein jeder sich verteidigen musste. Die Handwerker wie auch die Bauern, nahmen  ihre Zuflucht zu den Maschinen. Bauernverbände, Milchverwertungsgenossenschaften, Meisterverbände wurden gegründet, um sich gegenseitig zu schützen. Die Arbeiterschaft ging diesem allem voran. 

Am 25. Dezember 1908 also am Weihnachtstage, wurde Fritz geboren an einem Freitag, morgens 04.55 Uhr, im Zeichen des Steinbocks in Niederwangen. 

 

Im Jahr 1909 habe auch ich mich entschlossen, eine kleine Maschinenanlage einzurichten, welches im Oktober zustande kam. Es wurde eingerichtet ein Elektromotor 2 ½ Pferdestärke mit 1 ½   Tf. St-Abonnement, a Fr. 70.--, gleich Fr. 105.- jährlich, bei einem 400 Stunden Abonnement ohne Stundenzähler ausserhalb der Beleuchtungszeit zu benutzen. Anschaffungspreis Fr. 500.—gegen bar. 

Eine Transmission zu Fr. 150.--, 4 m lang mit 3 Lager und die nötigen Riemscheiben. Eine Bandsäge BB 1 von A. Müller in Brugg, 70 cm Rollendurchmesser zum Preise von Fr. 650.—gegen 4% Skonto. Die nötigen Riemen, von Ed. Schneider, Biglen, beliefen sich auf zirka Fr. 65.- so dass die ganze Anlage auf Fr. 1'365.-zu stehen kam. 

 

Den 12. Mai 1910 starb im Spital in Liestal Alexander Blattner, vorgenannt, ledig im Alter von 29 Jahren und 5 Monaten nach mehr als 4 Jahren Krankheit. 

 

Das Jahr 1910 war seit Menschen gedenken das nässeste Jahr, immer Regen und kalt. Vielerorts richtete das Wasser grossen Schaden an, indem ganze Gegenden überschwemmt wurden und grosse Erdrutsche stattfanden. 

 

Das Jahr 1911 war im Gegensatz zum 1910 trocken, aber sehr fruchtbar. Am 19. Juni starb Gottfried Blattner, ebenfalls im Spital in Liestal, nachdem er 6 Jahre als geisteskrank dort war. Er erreichte ein Alter von 35 Jahren und 13 Tagen, ledig. 

In diesem Herbst musste ich den Landwehrdienst bestehen vom 4.- - 16. Sept. in Jegenstorf ohne Regen bis auf den letzten Tag, wo wir noch gehörig nass wurden.

 

Das Jahr 1912 war wieder nasser Art, war aber dennoch fruchtbar. 

 

Im Jahr 1913 wurde mit allem Fleiss an der Landesausstellung in Bern gearbeitet, welche auf 15. Mai 1914 sollte eröffnet werden. Es machte sich in diesem Jahr eine Abnahme in der Bautätigkeit, welche in den letzten Jahren sehr in Gange war, bemerkbar. 

Am 19. Juni 1913 wurden auf der Höhe, da wo jetzt das Schützenhaus von Niederwangen steht, alte Gräber entdeckt, und wurden davon über 20 blossgelegt mit zum Teil noch vollständigen Skeletten, welche sollen von der Völkerwanderung her rühren und von den Alemannen sein. Die Gräber waren Friedhof mässig eingereiht und so hoch gelegen, dass etlichen Skeletten mit dem Ackerpflug der Schädel demoliert war. 

 

Das Jahr 1914 

Am 1. Mai dieses Jahres wurde hier im Wangenbrüggli die Eisenbahn-Haltestelle eröffnet, mit Musik und Böllerschüssen, die ersten 2 Züge empfangen. 

Vom 8. Bis 12. Mai wurde hier ein Schützenfest abgehalten unter ungünstigem Wetter, welches auch noch Schnee brachte. 

Am 15. Mai wurde die schweiz. Landesausstellung eröffnet auf dem Neufeld in Bern. Sie erfreute sich eines regen Besuchs bis 60tausend im Tag, bis am 1. August der europäische Krieg ausbrach. Da sank die Besucherzahl auf zweitausend zurück. 

Am 1. August erhielt ich nachmittags um 2 Uhr ahnungslos Befehl, einzurücken, abends 6 Uhr in Bern. Landwehrbatl. 135 III. Comp. an einem Samstag, allgemeine Mobilmachung, 3. Und 4. August. Wir kamen als Wache in die Landesausstellung etwa 10 Tage nachher nach Ins im Seeland bis zum 4. Sept. und mussten am 23. Sept. wieder einrücken und kamen nach St. Maurice im Wallis, 23 Tage. Der Auszug war bis im März 1915 anhaltend im Dienst. Grenzbesetzung volle 8 Monate. 

Bei Kriegsausbruch stiegen die Lebensmittel im Preis ganz enorm und wurden alle Läden ausgekauft und viele holten ihr Geld auf den Banken. Bald sah man keine Fünffrankenstücke mehr, noch weniger Gold, sondern Kriegsbanknoten 5er, 10er oder 20er und auch die 25er, ein jeder behielt sein Silber und Gold zurück. Alles war in Aufregung, da man ja nicht wusste, ob wir auch in den Krieg gezogen wurden. 

Am 30. Dezember 1914 starb meine Mutter im Alter von fast 74 Jahren, nachdem sie etwas mehr als 3 Jahre in Thun bei Anna war und wurde am 2. Januar 1915 beerdigt. 

Sie litt an Magenverschluss längere Zeit, musste aber nur 11 Tage im Bett liegen. 

 

In den Kriegsjahren 1914-1918 ist alles im Preis gestiegen bis zu 600%. So kosteten zum Beispiel Drahtnägel 5 kl. Pakete, die vor dem Kriege Fr. 1.80 kosteten, Fr. 15.--. Glas erhielt man um Fr. 2.80 per m2, und dann Fr.15.- per m2. Fensterkitt stieg von Fr. 2.60 auf Fr. 16.50. Auch die Lebensmittel, die Tier, die Kleider überhaupt alles stieg hoch. Mannesschuhe stiegen von Fr. 20.- bis 60 und mehr. Fette Schweine lebend von 60 Rp das ½ Kilo bis Fr. 4.--. Ferkel erhielt man für Fr. 25.—das Paar und wurden dann bis Fr. 300.—bezahlt. Fr. 2'000.- für eine Kuh, die zur Zeit Fr. 5-700 kostete, war keine Seltenheit. So stiegen auch alle Tiere im Preis. Aber auch alle Werkzeuge und Maschinen, natürlich auch die Arbeitslöhne mussten erhöht werden, so dass eins dem andern die Waage hält. 

 

Im Jahr 1918 regierte eine Krankheit unter den Menschen, die sogenannte Grippe. Sie soll von Spanien her eingeschleppt worden sein. Fast keine Familie blieb verschont. Bei vielen verlief sie harmlos, bei anderen aber sehr ernst, so dass es sehr viele Todesfälle gab, meistens durch Lungenentzündung. 

So starb auch am 29. Oktober 1918 meine Schwägerin Frau Elisa Hauser-Blattner in Bern auch an Grippe-Lungenentzündung, nachdem sie mehrere Jahre gelitten hatte. 

Auch mein Bruder, Rudolf Balmer in Gümmenen, wurde ein Opfer der Grippe und starb am 23. November 1918 ebenfalls an Grippe-Lungenentzündung im Alter von bald 46 Jahren. 

Ferner starben in der Zeit vom 1. Sept. bis 20. Dezember 1918 noch drei Onkel, nämlich Gottlieb Thomet in Winzenried bei Belp.,Niklaus Thomet auf der Landgarben und als letzter seiner Geschwister am 20. Dez. 1918 Fritz Thomet im Neufeld bei Thun. 

Auch unsere Familie wurde nicht verschont von der Grippe. Um Mitte Februar erkrankte zuerst Hans an einem Samstag, am Montag ich, am Dienstag Fritz, dann noch die Mutter, dann lagen also unser viere gleichzeitig im Bett krank. 

 

Nach etwa einer Woche konnten wir das Bett wieder verlassen, ausgenommen die Mutter, welche schon lange leidend war. Bei ihr wollte keine Besserung eintreten, so dass wir die Hoffnung auf Genesen aufgeben mussten. 

Am 24. April, am 1. Donnerstag nach Ostern, da Hanny konfirmiert wurde, starb die Mutter an Folgen einer Lungenblutung, welche mehr als zwei Stunden dauerte, abends, ¼ vor 5 Uhr. Sie hat sich herzlich gesehnt, bald beim lieben Heiland zu sein. Dort wird sie schauen, was sie hier geglaubt hat. Die liebe Gattin und Mutter erreichte ein Alter von fast 45 Jahren (44 und 11 Monate). Ihr Leben war voll Mühe und Arbeit, Aufopferung und Liebe für die Ihrigen. Dabei hat sie aber nicht versäumt, das eine, das Not tut, nämlich der Seele Seligkeit.

 

Die Beerdigung fand statt den 28. April, an einem Montag in Oberwangen. Auf ihrem Grabstein stehen die Worte: „Hier harrt der Auferstehung das Sterbliche von Lina Balmer-Blattner von Niederwangen 1874 – 1919, Sterben war ihr Gewinn“. 

 

1919 

Es waren die Tage noch nicht vorbei, von denen du sagen wirst, sie gefallen mir nicht. Da wo eine treu besorgte Hausmutter weggerafft wird, entsteht eine grosse Lücke, das haben auch wir erfahren. 

Zum Glück war noch die Schwiegermutter-Grossmutter da, noch rüstig und gesund und musste nun das Hauswesen in die Hand nehmen, weil Hanny einen dreijährigen Lehrvertrag hatte mit der Frauenarbeitsschule Bern. Es ist der Grossmutter schwer geworden in ihrem Alter von bald 74 Jahren noch ein Hauswesen zu führen, doch hat sie es getan mit zäher Ausdauer und grossem Fleiss. 

Um diese Zeit beschäftigte uns der Gedanke, eine Hobelmaschine anzuschaffen und wurde auch am 15. Mai einen diesbezüglichen Kauf abgeschlossen mit der Firma A. Müller & Co in Brugg im Betrag von Fr. 3‘570.-, lieferbar Mitte Juli. 

 

Im Herbst dieses Jahres traten Fälle auf von Maul- und Klauenseuche. Um die Krankheit im Keime zu ersticken, wurde in den betreffenden Bauernhöfen sämtliches Klauenvieh geschlachtet, alle Räume ausgefegt und desinfiziert und scharfer Hausbann verhängt. Trotz allen Massregeln mehrten sich die Fälle, dass es ganz unheimlich wurde und alle Versammlungen verboten wurden. 

Trotz allen Massregeln nahm die Seuche ihren Fortgang, so dass die Schlachtungen mussten unterlassen werden. 

 

Im Sommer 1920 machte die Maul- und Klauenseuche auch in nächster Nähe Besuch. Zwischen Heu- und Getreideernten tauchte sie zuerst im Rind auf, unter dem Viehstand des Albrecht Jakob. Dort wurde scharfer Bann verhängt, Militär zur Wache herbeigezogen, dann mussten Feuerwehrmänner die Wache übernehmen. Die Bauern kauften Desinfektionsmittel zur Verhütung der Krankheit für mehrere hundert Franken. 

Die Seuche kam ungehindert weiter und tauchte im Anfang der Roggenernte hier im Dorfe auf, in den Ställen des Karl Kammermann. In kurzer Zeit war das ganze Dorf verseucht. Ähnlich ging es im ganzen Land herum. Hier und da wurden Gehöfte zwischen verseuchten verschont, so dass endlich die studierten Herren auch zu der Einsicht kamen, dass dagegen nicht viel zumachen sei. Sie tritt auf, wo es trifft und verschont wen‘s nicht trifft. Die Massnahmen wurden weniger streng und die Seuche verschwand, wie sie gekommen war. Viel Hass und Feindschaft hat sie hinterlassen. 

 

Das Jahr 1921 war eines der fruchtbarsten. Gute Heuernte, überaus viel Getreide und Emd, so dass die Scheunen voll gestopft waren und vielerorts in Schöpfen, sogar im Freien Getreide oder Strohhaufen zu sehen waren.  

Am 2. August brannte im Lehn ein Bauernhaus nieder, den Gebr. Spycher, verursacht von 2 Knaben eines Neffen, welche noch mit Feuerzeug von 1. Augustfeier spielten. 

Weil dort kein Wasser zum Löschen war, weil auch grosse Trockenheit herrschte, musste solches vom Riedweiher und vom Landorf herbeigeschafft werden, was 2 Schlauchleitungen von je 900 m benötigte. Dieser Brand kostete die Gemeinde mehrere tausend Franken, womit nicht weniger als 8 Spritzen in Tätigkeit waren, die Motorspritzen von Bern und eine Menge Hydranten Schläuche. Das Feuer brach etwa um 2 Uhr nachmittags aus und konnten die Spritzen erst am 3. August abends um 8 Uhr entlassen werden. 

Ein weiterer Brand wurde das Haus unseres Nachbarn Christ. Scheuner. Der 6. November war ein sehr stürmischer Tag, starker Westwind mit Regen, ein Sonntag. Abends um halb 10 Uhr brach Feuer aus im Stroh auf dem Schweinestall. Das Feuer verbreitete sich sehr rasch, indem dass es reichlich Nahrung fand im Heu und Getreidestock. Die Leute waren zum grössten Teil schon im Bett, konnten sich aber doch alle retten, weil das Feuer schnell bemerkt wurde. Auch die Lebware konnte gerettet werden, dabei musste aber eine Mauer des Schweinestalls von aussen eingeschlagen werden, um 17 Stück Schweine, kleine und grosse, in Sicherheit zu bringen. Mobiliar konnte aus den unteren Zimmern und der Küche grösstenteils gerettet werden, dagegen ging das Heu und Getreide zu Grunde. Zur Löscharbeit war auch die Motorspritze von Bern und einige Spritzen aus den Nachbardörfern auf dem Platz. Brandursache unbekannt! 

 

Am 30. Dezember 1921 verheiratete ich mich mit Fräulein Lina Walther, zur Zeit in Oberwangen, Schwester des Friedrich Walther von Wohlen und der Kathrina Wächter, geboren den 22. Oktober 1886. 

Die gesetzliche Trauung fand statt auf dem Zivilstandsamt Thun und die Einsegnung in der Kapelle im Aarenfeld Thun, durch Prediger J.J. von Siebenthal. Trautext: 1. Mose 2,18.  

Eine gemütliche Gesellschaft feierte den Tag im Schulhaus Thun bei Familie Stadelmann-Balmer. Eine Photographie hält die Feiernden in Erinnerung beisammen.

 

Es war ein Freitag, den 30. Dezember 1921, gleichzeitig mein Geburtstagsfest, aber auch meiner Mutter Sterbetag, 30. Dezember 1914.

 

Am Sylfester, 31. Dezember 1921 haben wir den Hausrat von Lina in unser Haus gebracht und nun fing ein neues Jahr an.  

 

Das Jahr 1922 war für uns ein glückliches Jahr, da ja alles recht friedlich zu ging. Lina machte noch Störarbeit in Bern und brauchte sein Verdienst in der Haushaltung, was wir gut verspürten. Jetzt hatten wir drei Frauenzimmer in unserer Familie, weil Hanny am 9. April 1921 seine dreijährige Lehrzeit als Damenschneiderin beendet hat und auch zu Hause ist. 

Am 1. Juli 1922 zog Hanny nach Vevey in eine Privatstelle, um die franz. Sprache zu erlernen. Um die Mitte November musste es unerwartet heim kommen wegen einer bösen Zahngeschwulst. 

Am 19. November 1922 verstarb in Thun Otto Stadelmann im Alter von 22 Jahren und 10 Monaten an einer Blutvergiftung, ein hoffnungsvoller, starker und sehr beliebter Jüngling, ein schwerer Schlag für seine Eltern und Geschwister, besonders der Mutter, deren Stolz er war. 

In diesem Jahr gab es über alles Erwarten viel Obst, so dass die Grossmostereien Süssobst gar nicht mehr kauften und grosse Haufen zugrunde gingen.  

 

1923 

Am 4. Januar zog Hanny in eine neue Stelle nach Gy bei Genf, zu einer Familie Egitane, wo es die Post vertragen musste.  

Dieser Sommer schenkte uns sehr viel Kirschen, überhaupt Steinobst. Diesen Sommer fing die Schwiegermutter an zu kränkeln, mochte nicht mehr recht essen, natürlich auch nicht mehr recht arbeiten, was sie sonst gern getan hat.  

 

Anfangs August musste sie das Bett hüten. Weil Lina immer noch nach Bern ging, einige Tage in der Woche, so kam seine Schwester Anna Beyeler und kochte uns zu Mittag. Lina besorgte das Frühstück und Abendessen und auch die Pflege der kranken Grossmutter, welche keine grosse Ansprüche machte.

 

Als aber die Krankheit immer zunahm und auch Frau Beyeler selber krank wurde und nicht mehr dienen konnte, mussten wir an Hanny appellieren. Es musste seine Stelle in Gy aufgeben und kam am 15. September nach Hause um sein Grossmüetti zu pflegen. Nur eine Woche konnte es die Pflege besorgen, denn die Grossmutter starb schon am22. September 1923 abends 9 Uhr im Alter von 78 Jahren und 3 Monaten an Asthma, Herz- und Altersschwäche. Beerdigt in Oberwangen, den 25. August 1923, an einem Dienstag. 

Dem Sommer 1923 folgte ein schöner Herbst, aber auch ein früher und kalter Winter.

 

Das Jahr 1924 haben wir gesund und gut angetreten. Lina gab mit diesem Jahr seine Privatstören in Bern auf, weil es die Hoffnung hatte Ende Februar Mutter zu werden. 

Wir freuten uns alle darauf, ein kleines Kind in unserer Mitte zu haben. Am 3. März kam die Zeit, dass sie gebären sollte, aber es wollte nicht recht vorwärts gehen. Am 4. März mussten wir Lina auf Anraten des Arztes W. Lang in Bümpliz und der Hebamme Frl. Elisa Krähenbühl, ins Frauenspital in Bern überführen. Erst am 8. März, morgens 3 Uhr, schenkte Lina einem gesunden Mädchen das Leben. Gewicht: 3 kg, 400 g. Unser aller Freude war gross, denn es ging beiden, Mutter und Kind recht gut und ich durfte sie besuchen.  

Leider stellten sich am Dienstag, den 11. März bei Lina Fieber ein. Als ich am Mittwoch gerufen wurde, konnte ich nicht mehr mit Lina, meiner lieben und guten Frau reden. Die Fieber waren hoch und die Ärzte wussten nicht, woher sie kamen. Gleichgültig hat sie alles angeschaut, aber kein Wörtlein kam über die Lippen. Am Donnerstag den 13. März besuchten wir Lina, meine Schwester Anna kam noch von Thun, Hanny und ich, am Nachmittag und fanden, dass es ein wenig besser sei, denn die Fieber waren ein wenig zurück (1 Grad) und die Kranke versuchte wieder zu sprechen und hat Freude gezeigt am Besuch, besonders als man ihr das kleine Ruthli zeigte, hat sie zu verstehen gegeben, dass das ihr eigen sei. Mit der besten Hoffnung verliessen wir das Spital.  

Am gleichen Abend, um 10 Uhr kam eine Telefonnachricht, Lina sei gestorben. 

Wer beschreibt den Schmerz!?  

Nach einer Untersuchung im Inselspital nach der Todesursache, wurde Blutvergiftung festgestellt. 

Von allen Seiten wurden uns aufrichtige Beileidsbezeugungen dargebracht, aber keine Klage vermochte die Tote wieder aufzuwecken. Die Beerdigung fand statt! Sonntag den 16. März um 3 Uhr in Oberwangen, unter grosser Beteiligung am Leichengeleite. Der Gemeinde-Chor von Bümpliz  (dessen Mitglied Lina war bis Neujahr 1924) hat Lieder vorgetragen, Prediger Würsten hielt die Ansprache.  

 

Am 20. Mai 1924 abends gegen halb 7 Uhr entlud sich ein kleines Gewitter von Westen her über unsere Gegend mit Hagelschlag, der Niederschlag dauerte ungefähr 15 Minuten. Es fielen Körner bis 3 cm Durchmesser. Die Obstbäume standen in schönster Blüte und wurden kahl geschlagen. Der Roggen wurde geknickt und musste gemäht und gedörrt werden. An dessen Platz wurde Gerste gesät oder noch Kartoffeln gesetzt. Ebenso war das Heu zerhackt und gab eine schlechte Ernte. Das spätere Getreide blieb leicht im Kern und konnte des schlechten Wetters wegen kaum eingebracht werden, ebenso das Emd.  

 

Ein Unterbruch in der Führung der Familienchronik ist eingetreten. Ich will versuchen, das Versäumte nachzuholen, so gut es geht. 24.2.1936.  

 

Das Jahr 1925 brachte uns wieder eine Änderung. Dass ich Hanny durch die Pflege von Ruthli und Besorgen der Haushaltung nicht für immer an das Heim fesseln konnte, wird jedermann begreifen. So musste ich mich wohl oder übel nach der dritten Frau umsehen. Ich habe auch eine gefunden, in Fräulein Pauline Feller, zur Zeit Dienstmädchen bei meinem Schwager, K. Stadelmann, Schulabwart in Thun, wo sie etwa 15 Jahre in Stelle war. Unsere Hochzeit fand statt den 19. November 1925 in Thun. Festessen bei Fam. Stadelmann auf dem Hübeli bei Steffisburg, wohin sie auf 1. November gezogen waren, weil sie auf diese Zeit die Abwartstelle in Thun aufgaben.  

Hans hat im Frühling dieses Jahres mit K. Stadelmann, in Ostermundigen, ein Velogeschäft und Vernicklung übernommen. Nach unserer Heirat ist Hanni dorthin gezogen, um dem Hans und Walter Stadelmann die Haushaltung zu besorgen. In der Zeit haben sich Ruthli und die neue Mutter gut zusammen gewöhnt. Nun war auch die entstandene Lücke wieder aufgefüllt, Ruthli hatte eine Mutter, und ich eine Frau.  

 

Auf Neujahr 1926 kamen Hanni und Hans nach Hause, um das Fest der Jahreswende hier zu verbringen. In der Nacht vom 1. auf den 2. Januar 1926 wurden wir von Hanni um 1 Uhr geweckt, denn das Haus des Christ. Balsiger stand in hellen Flammen. Alles war im tiefen Schlaf. Mit knapper Not konnten das Vieh und die Pferde in Sicherheit gebracht werden, 3 Ziegen, dem Fr. Grossen gehörend und 4 Schweine blieben in den Flammen. Von den 4 Schweinen wurden am Morgen noch 2 lebend gefunden, mussten aber abgetan werden. Brandursache unbekannt. Brandstiftung vermutlich.